Weizen – besser als sein Ruf

Stand: 11/16/2015
Verbraucher sind verunsichert über diverse Berichte, dass Weizen krank mache. Glaubt man den Autoren der amerikanischen Bestseller „Weizenwampe“ und „Dumm wie Brot“, dann sollte Weizen ganz aus der Ernährung gestrichen werden. Laut den Autoren habe die Züchtung das Weizeneiweiß gefährlich verändert, mit gravierenden Folgen für die Gesundheit. Bestimmte Eiweiße im ‚modernen‘ Weizen sollen entzündliche Reaktionen im Magen-Darm-Trakt, in den Gelenken und im Gehirn fördern. Der hochgezüchtete Weizen führe zu Sucht, Übergewicht, Diabetes, Rheuma, Nervenerkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen u.v.m. In den USA verzichten bereits 25 % der Menschen auf Weizen, eine Entwicklung, die auch bei uns Fuß zu fassen scheint.

Weizen liegt an dritter Stelle der globalen Getreideerzeugung – nach Mais und Reis. Er ist wegen seiner guten Backeigenschaften das wichtigste Brotgetreide und eines unserer Grundnahrungsmittel. Weizen ist wesentlicher Bestandteil von traditionellen Broten, Backwaren, Teigwaren, Pizza & Co.. Er ist für viele Menschen unverzichtbar.


Macht Weizen tatsächlich krank? Und muss auf ihn verzichtet werden?


Weizenfrei essen kann lebensrettend sein

Tatsache ist, dass ein Teil der Menschen Weizen nicht verträgt.

Bei der Zöliakie wird die Dünndarmschleimhaut durch geringste Mengen an Gluten geschädigt. Betroffene müssen ihr Leben lang auf den Verzehr glutenhaltiger Getreide – Weizen, Dinkel, Emmer, Einkorn, Roggen, Gerste, Hafer – verzichten. Etwa ein Prozent der Bevölkerung sind betroffen.

Bei der Weizenallergie reagieren Betroffene auf Eiweiße aus dem Weizen mit allergischen Symptomen. Nach Diagnose muss auf Weizen, ebenso aber auch auf Dinkel, Emmer und Einkorn, verzichtet werden. Die Häufigkeit der Weizenallergie wird mit 1 zu 1000 angegeben.

Zöliakie und Weizenallergie können eindeutig medizinisch nachgewiesen werden. Dahingegen ist die Diagnose bei der so genannten Weizensensitivität – Nicht-Zöliakie-Weizen-Sensitivität – (bisher) nur durch Ausschlussdiagnose möglich.
Bei Weizensensitivität treten nach Verzehr weizenhaltiger Speisen zöliakieähnliche Symptome auf wie Magen-Darmbeschwerden oder auch Beschwerden außerhalb des Gastrointestinaltraktes wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Lethargie, Muskelbeschwerden, Knochen- und Gelenkschmerzen u.v.m.. Man spricht von einer Weizensensitiviät, wenn sich die Symptome nach Ausschluss von Zöliakie und nach Ausschluss von Weizenallergie durch glutenfreie Ernährung bessern. Die Häufigkeit der Weizensensitivität wird auf ein bis fünf Prozent der Bevölkerung geschätzt.

Als Auslöser für eine Weizensensitivität werden neben Gluten vor allem auch so genannte ATIs (Amylase-Trypsin-Inhibitoren) diskutiert.
ATIs aktivieren das Immunsystem und können im Körper Entzündungsreaktionen auslösen und so die o.g. Symptome verursachen. ATIs können bei Menschen mit chronischen Entzündungen die Reaktionen auch verstärken.
ATIs wirken im Getreidekorn als Abwehrstoffe gegenüber Insekten und machen es widerstandsfähig gegenüber Schädlingen. Sie sind hauptsächlich bei Weizen, Roggen und Gerste von Bedeutung. Der ATI-Gehalt ist jedoch stark abhängig von der Sorte und den Anbaubedingungen, so dass keine generellen Aussagen möglich sind. Allerdings sind die ATI-Gehalte an den Glutengehalt gekoppelt und damit tendenziell in alten Getreidesorten und auch im Bio-Anbau niedriger.


Für Gesunde kein Verzicht auf Weizen notwendig

Für 90 bis 95 Prozent der Bevölkerung ist der Verzehr von Weizen wahrscheinlich unproblematisch.
Wer vermutet, Weizen bzw. glutenhaltige Lebensmittel nicht zu vertragen, sollte dies unbedingt diagnostisch absichern lassen. Wer „einfach so“ auf glutenfreie Ernährung umstellt, erschwert sogar die Diagnose einer Zöliakie oder Weizenallergie.

Aussagen, dass weizenfreie Ernährung gesünder sei oder beim Abnehmen helfe, sind wissenschaftlich nicht haltbar. Die Kohlenhydrate (Stärke) der modernen Weizensorten werden genauso schnell oder langsam abgebaut wie die Stärke anderer Getreidearten oder alter Weizensorten. Der Weizenverzehr als solcher ist auch nicht entscheidend für das Herzinfarktrisiko. Hier sind neben anderen Einflussgrößen Ernährungsfaktoren wie Kalorienzufuhr, Ballaststoffverzehr oder die Art der Fette von Bedeutung. Weizen(mehl) kann lediglich indirekt als Bestandteil von zuckerreichen und/ oder fettreichen, ballaststoffarmen Snacks und Süßigkeiten „Mitverursacher“ von Übergewicht, Diabetes oder anderen Zivilisationskrankheiten sein.

Weizengluten hat keine morphinähnlichen Wirkungen und macht nicht süchtig. Es gibt bislang auch keine gesicherten wissenschaftlichen Studien, dass Gluten Demenzerkrankungen begünstigt.


Weizen enthält wichtige Nährstoffe

Das Weizenkorn besteht aus dem Mehlkörper, dem Keimling und den Randschichten. Die Verteilung der Nährstoffe ist unterschiedlich. Grob kann man sagen: Der Mehlkörper, das Innere des Korns, enthält vor allem Stärke und Eiweiß, die Randschichten sind reich an Ballaststoffen, Eiweiß, B-Vitaminen und Mineralstoffen bzw. Spurenelementen. Der Keimling enthält Eiweiß und Fett, B-Vitamine und fettlösliche Vitamine. Entsprechend unterschiedlich ist der Nährstoffgehalt der verschiedenen Weizenprodukte. Je höher der Ausmahlungsgrad der Mehle, d.h. je höher der Anteil der Randschichten, umso höher ist der Gehalt an Ballaststoffen, an B-Vitaminen, allen voran Vitamin B1, an Mineralstoffen und Spurenelementen. Der Kaloriengehalt der Produkte aus dem vollen Korn ist niedriger als der Weißmehlprodukte.

Tabelle: Vergleich der Nährstoffgehalte verschiedener Weizenmehle (Auszug)
(Angaben je 100 g Lebensmittel)

Weizen-...
Energie
Ballaststoffe
Magnesium
Eisen
Vit. B1
Vollkornmehl
302 kcal
11,7 g
130 mg
4,7 mg
0,47 mg
Type 1050
331 kcal
5,2 g
53 mg
2,2 mg
0,43 mg
Type 405
335 kcal
4,0 g
20 mg
1,5 mg
0,06 mg
Quelle: Die große GU Nährwert-Kalorientabelle 2014/15, Gräfe und Unzer Verlag GmbH, München 2014

Der Verzehr von Weizenvollkornprodukten, ebenso wie der Verzehr anderer Getreidevollkornprodukte, ist nicht nur wegen des hohen Nährstoffgehalts empfehlenswert. Vollkornprodukte sättigen anhaltend. Die Getreideballaststoffe fördern die Verdauung und sie wirken günstig auf den Cholesterinspiegel, den Blutzuckerspiegel und das Dickdarmkrebsrisiko.

Informationen: Getreide auf`‘s Korn genommen


Fazit

Bei bestimmten Erkrankungen, das sind Zöliakie, Weizenallergie und Weizensensitivität, muss auf Weizen verzichtet bzw. der Verzehr stark eingeschränkt werden. Diskutiert wird derzeit auch, ob die oben angesprochenen ATIs eine Rolle bei einzelnen Autoimmunerkrankungen spielen können.

Weizen stellt jedoch für den überwiegenden Teil der Bevölkerung kein Problem dar. Vielmehr ist er ein wertvolles Lebensmittel und für viele von uns vor allem als Brotgetreide nicht aus der täglichen Ernährung weg zu denken. Er versorgt uns nicht nur mit Energie, sondern auch reichlich mit bestimmten Nährstoffen. Empfehlenswert ist, dass zumindest ein Teil der Weizenprodukte in Form von Vollkornerzeugnissen verzehrt wird.

Weizen ist zu Recht Grundnahrungsmittel. Er ist besser als sein Ruf.


Quellenangaben


irmgard.luetticken@dlr.rlp.de     www.fze.rlp.de/ernaehrungsberatung